In Anbetracht der besorgniserregenden Aussagen von Mark Burkhart, dem Präsidenten der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz («KKPKS») anlässlich einer aktuellen SRF Reportage (siehe unten), sieht sich der Dachverband 1879 veranlasst, die Stimme in dieser Angelegenheit ausnahmsweise öffentlich zu erheben und entschieden für Selbstreflexion und Transparenz einzusetzen.
Die zahlreichen Gummischrot-Vorfälle in diesem Jahr und insbesondere die unentschuldbaren Ausschreitungen in Luzern haben tiefgreifende Folgen hinterlassen und uns als Fanszene zur Selbstreflexion bewegt. Die unreflektierten Äusserungen des KKPKS-Präsidenten haben uns deshalb zutiefst schockiert. Wir möchten an dieser Stelle auf die Auswirkungen dieser gefährlichen Polizeipraxis eingehen und unsere Forderungen in diesem Zusammenhang darlegen.
Ein besonders bestürzendes Beispiel ist der Fall einer in der Fanszene geschätzten und friedfertigen Persönlichkeit, die aufgrund eines Gummischrot-Treffers in Luzern einen Sehverlust von 90% auf einem Auge erleiden musste. Als die betroffene Person getroffen wurde, befand sie sich nachweislich in der Nähe des Bahnhofs und half anderen Fans, den Weg zu den beiden Extrazügen zu finden (und nicht etwa am Bundesplatz, wo die Ausschreitungen stattgefunden haben). Die Ungerechtigkeit dieses Falls wird durch die Anzeige der Luzerner Polizei wegen Landfriedensbruchs und die Herabstufung der (Gegen-) Anzeige von schwerer zu leichter Körperverletzung noch verschärft. Einmal mehr stellt dies die Handhabung von Gummischrot durch die Schweizer Behörden grundsätzlich in Frage und erfordert eine dringende Überprüfung. Die Relevanz und Dringlichkeit dieser Problematik wird durch die Aussagen des Ballistik- Experten Beat P. Kneubühl in der bereits erwähnten SRF-Reportage untermauert. Kneubühl weist auf das hohe Risiko irreversibler Augenverletzungen durch Gummischrot hin, selbst bei grösserer Distanz:
«Untersuchungen zur Einwirkung stumpfer Gewalt beim Auge sind mir nicht bekannt und somit kenne ich auch keine Grenzwerte. Die offensichtlich immer wieder auftretenden irreversiblen Augenverletzungen […] gelten als schwere Verletzungen. Leider sind keine Daten vorhanden, ob dies auch bei weiten Distanzen oder nur im näheren Bereich erfolgt. Bei allen Gummischroten dieser Art ist im ganzen Distanzbereich bei einem Treffer mit dem Verlust des Auges zu rechnen.»
Vor diesem Hintergrund sind die Äusserungen des KKPKS-Präsidenten besonders besorgniserregend und weisen auf einen deutlichen Mangel an Selbstreflexion und Transparenz im Umgang mit Gummischrot-Streumunition hin. Im Bewusstsein, dass auch wir als Fans unser Handeln kritisch hinterfragen müssen, fordert deshalb der Dachverband 1879 die folgenden Punkte:
- Wissenschaftliche Untersuchung: Wir fordern eine wissenschaftliche Untersuchung zum Einsatz von Gummischrot und den potenziellen körperlichen Folgen in Abhängigkeit zur Schussdistanz, um die Verhältnismässigkeit dieses Mitteleinsatzes grundsätzlich zu überprüfen.
- Dokumentation von Schussabgaben: Wir fordern eine genaue und lückenlose Dokumentation jeder Schussabgabe, inklusive des Zeitpunkts, den GPS Koordinaten und der Schussrichtung, um eine transparente Aufarbeitung zu gewährleisten.
- Statistische Erfassung von Gewaltanwendungen: Analog zum GSLS Reporting fordern wir eine umfassende Dokumentation aller polizeilichen Gewaltanwendungen und den sich daraus gegebenenfalls resultierenden Verletzungen.
- Einsatz alternativer Zwangsmittel: Wir fordern ganz grundsätzlich den Umstieg auf Zwangsmittel, welche die körperliche Unversehrtheit von Unbeteiligten schützen und den UN-Richtlinien zu Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit entsprechen.
Wir bitten zudem um solidarische Unterstützung durch Spenden, um die juristischen Kosten des hier beschriebenen Falles und ähnlicher Fälle zu decken, sodass wir die betroffenen Personen in ihrem Kampf für Gerechtigkeit weiterhin unterstützen können. Jede Spende zählt und macht einen Unterschied!
Dachverband 1879, Dezember 2023