Als Dachverband 1879 sind wir uns der wilden Komponente, die bei einer aktiven Fanszene vorhanden sein soll, bewusst und tolerieren diese. Doch überall sind Grenzen zu setzen und diese wurden am Samstag in Luzern überschritten. Eine Handlichtfackel, die als Waffe missbraucht wird, ist weder entschuldbar noch im Sinne der Subkultur. Diese Art von Gewalt ist vorbehaltslos zu verurteilen.
Ebenso ist hinlänglich bekannt, dass die Luzerner Polizei häufig überfordert und alles andere als deeskalierend agiert. Nicht nur Beispiele vergangener St. Galler Gastspiele unterstreichen dies zuhauf. Es erscheint fast, als werde von Seiten der Exekutive bewusst eine Eskalation herbeigeführt. Statt einer Ankunft am Güterbahnhof oder einer Marschroute via Pilatusplatz, führt der Weg am Fanlokal des FC Luzern vorbei, das von Bereitschaftspolizisten bewacht wird, die ihre Waffen nicht nur griffbereit, sondern auch vereinzelt bereits im Anschlag halten. Dass sich zudem mehrere hundert Personen aus dem FCL-Umfeld, teilweise vermummt, wenige Meter neben der Marschroute ungestört positionieren können, wirft zusätzliche Fragen auf.
Nach unserem Erkenntnisstand gab es fünf Verletzte, die hospitalisiert werden mussten. Bei allen Personen ging die Hospitalisierung auf die Gewalteinwirkung der Polizei zurück (Augen-, Gesichtsverletzungen; ausgelöst durch Gummischrot). Nach unserem Aufruf um Augenzeugenberichte am Sonntag, manifestierten sich unsere eigenen Eindrücke vor Ort: Uns erreichten schockierende Bilder und Berichte unter anderem mit mehrfach angedrohtem Mitteleinsatz an Familien (mit Kindern unter 12 Jahren). Mehrfach hielten Augenzeugen fest, dass die Polizei auch am Ende des Marsches wahllos mit Gummischrot in die Menschenmenge schoss. Treffer im Gesichtsbereich wurden dabei – gemäss vorliegenden Berichten – in Kauf genommen.
Weiter weisen wir mit Vehemenz die Aussage von Herr Winiker, Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektor, zurück, dass eine Vorwarnung vor dem Mitteleinsatz erfolgte. Es gab für Unbeteiligte keine Möglichkeit, sich der Gefahr zu entziehen, oder sich irgendwo in Sicherheit zu begeben. Durch die von Seiten der Polizei angewandte Taktik kam es zudem zu mehreren Situationen, in denen eine Vielzahl Menschen in grosser Geschwindigkeit die Flucht ergreifen mussten.
Eine alleinige Schuldzuweisung an die Behörden greift allerdings zu kurz. Auf Seite der St. Galler Anhängerschaft passierte die Selbstregulierung deutlich ungenügend. Wir waren aber im Anschluss bestrebt, möglichst alle verletzungsfrei in die bereitstehenden Extrazüge zu begleiten.
Wir wünschen uns eine selbstkritische Reflexion aller Parteien und erwarten in der nächsten Saison eine deeskalierende und professionelle Polizeiarbeit.
Dachverband 1879, 23.05.2023