Seit der Eröffnung vor 17 Jahren hatte die Spielstätte des FC St. Gallen keinen in der Anhängerschaft etablierten Namen – auch dann nicht, als ihre Fassade zweimal mit einem Sponsoring versehen wurde. Teile der Anhängerschaft nutzten stattdessen Abkürzungen, bequemere Fans hielten sich am Akronym des ersten Namensrechtspartners fest. Traditionalisten gaben dem Stadion aus Sentimentalität gegenüber dem Espenmoos oder aus Missgunst wegen seiner dezentralen Lage eine abwertende Bezeichnung – oder nannten es schlicht «Arena».
Grund genug, dem St. Galler Stadion einen Namen zu verleihen, mit dem sich die Menschen in der Ostschweiz identifizieren können und welcher der fussballverrückten Region gerecht wird. Dieser Name soll der Vielschichtigkeit des FC St. Gallen Rechnung tragen und werbefrei sein. Es freut uns deshalb, den Begriff zu kennen, mit dem Fans das St. Galler Stadion ab heute bezeichnen werden: Sitterstadion. Über 60% der rund 3000 Stimmen sind diesem Vorschlag zugeflossen. Halb so viele Stimmen bekam die Variante Breitfeld, während sich deutlich weniger FCSG-Fans mit dem Institut Wiget oder den Bildweiher als Inspirationsgrundlage anfreunden konnten. So oder so, das Sitterstadion ist eine treffende Wahl, schliesslich schlängelt sich der Fluss durch grosse Teile der Ostschweiz und ist mit seiner Nähe zum Stadion auch geografisch mit dem FC St. Gallen verbunden.

Stadionnamen als Erinnerungsanker
Wie wichtig die Identifikation mit dem Spielort für einen Klub und seine Fans sein kann, zeigen das Olympiastadion in Berlin oder Rom, das Camp Nou und das Estadio Santiago Bernabeu in Spanien, die längst zu Ikonen mit hohem Wiedererkennungswert und eigenen Geschichten avanciert sind. Historische Erinnerungen werden nicht an Sponsoringnamen geknüpft, sondern an das Espenmoos («Weisch no, wo de Heli cho isch?»), an das Maracana (Endspiel der WM 1950), oder an das Old Trafford, etwa wenn im «Theatre of Dreams» eine weitere denkwürdige Vorstellung zu Ende geht.
Selbst in diesen kommerziell weit fortgeschrittenen Ligen spielen viele Klubs in Stadien mit werbefreier Namensgebung, die auch einen Neubau überdauert. In der Premier League tragen 14 Stadien in der Saison 2024/25 keinen Sponsorennamen – die modernen Spielstätten von Tottenham und West Ham zählen dazu. In Neapel haben die Verantwortlichen ihre Heimat der Klub-Legende Diego Armando Maradona gewidmet und in Mailand sind unter den Stadtklubs gar zwei Begriffe für das geteilte Zuhause etabliert, die beide keinen Sponsorenbezug aufweisen.
Es gibt Alternativen
Unbestritten, dass Vertreter europäischer Top-Ligen finanziell besser aufgestellt sind als der FCSG. Entsprechend höher ist der Stellenwert der Einnahmen aus einem Namensrecht für einen Verein aus einer Liga, die kaum relevante Einnahmen aus Medienrechten generiert und hinter dem kein fragwürdiger Mäzen oder Konzern steht. Ein Blick in drei Ligen mit ähnlich dotierten Fernsehverträgen zeigt, dass es dennoch möglich ist, Ausfälle über lukrative Erlösquellen wie Transfer- und Europacupeinnahmen auszugleichen. In Griechenland (13/14), in Norwegen (12/16) und in Schottland (8/12) verzichten eine Mehrheit der Klubs auf die Vergabe der Namensrechte. Auch in der höchsten Schweizer Liga besitzt nebst dem FCSG lediglich das Stadion des FC Luzern einen Namen mit Sponsoringbezug.
Dass der Wunsch nach einem werbefreien Stadionnamen nicht im Widerspruch zu einem Naming-Right-Vertrag und damit verbundenen Einnahmen stehen muss, zeigen Beispiele aus Bern oder Nürnberg. Während bei den Young Boys ein lokal verankerter Sponsor Geld für die Aufrechterhaltung eines historischen Stadionnamens bezahlt und damit von der gönnerhaften Wahrnehmung profitiert, sind die Parteien im Frankenland eine Partnerschaft mit Gegenleistungen und -geschäften eingegangen, um den einstigen Namen des Stadions zu bewahren.
Auch ohne Mäzenatentum kann die Suche nach einem ertragsreichen Stadionnamen aus Klubsicht erfolgreich begangen werden, wie ein Beispiel aus dem Schweizer Eishockey zeigt: Im Tessin trägt die 2021 eröffnete Heimat des HC Ambri-Piotta dank mehreren Sponsoren, die den finanziellen Betrag für das Naming Right gemeinsam aufbringen, einen für die Region aussagekräftigen und werbefreien Namen. Getreu dem vielfach proklamierten Motto «Zämä» wären auch in St. Gallen Patronats-Lösungen für das mittlere oder kleinere Portemonnaie vorstellbar und nachhaltiger.
